STROMBOLI AM 15. MAI 2006

BERICHT VON KARLHEINZ LECHLER


Nachdem wir von Vulcano kommend auf „Stromboli“ angelandet waren, gingen die Blicke gleich in Richtung Berggipfel. Die Insel war ein einziger Vulkankegel. Etwa 10 Leute der Reisegruppe „Burmann/Luigi“ wollten noch am selben Tag den Gipfel (Kraterrand) des Vulkans besteigen. „Andiamo, andiamo“ feuerte uns Luigi an, denn es war keine Zeit zu verlieren.

Schnellen Schrittes ging es zum Hotel am schwarzen Strand. Die Bergausrüstung war vorher schon separat verstaut worden. Wir mussten uns also schnell umziehen und bergfertig machen. Es ging darum, die letzte Führung um 17 Uhr zum Kraterrand zu erreichen.

Am Büro der Bergführer angekommen organisierte Luigi für uns die Führung. Er meinte, wir hätten Glück, der „Normanne“ würde uns hinaufführen. Dieser war groß und schlank und besaß rötliche Haare. Er wirkte ruhig und Vertrauen einflößend. Jeder Teilnehmer musste eine Erklärung unterschreiben, auf eigene Verantwortung die „Kratertour“ zu unternehmen.

Nachdem allen ein Schutzhelm ausgehändigt worden war, konnte es losgehen. Unsere Gruppe setzte sich aus Holländern, Briten und Deutschen zusammen. Die meisten waren jünger als wir, so zwischen 18 und 25 Jahren und hauptsächlich Frauen. Es lag eine sehr gute Stimmung in der Luft. Wir waren ca. 30 Personen. Der „Normanne“ warf einen Blick auf das Schuhwerk seiner Gruppe, dann ging es los.

In angenehmem aber zügigem Tempo ging es an der Kirche des Ortes vorbei, leicht ansteigend Richtung Gipfel. Behäbigen Schrittes wanderten wir anfangs noch durch eine wunderbare Vegetation. Zunächst standen noch Zitrusbäume hinter hohem Mittelmeerschilf, viele unbekannte Blumen säumten den Pfad. Es ging nun stetig aufwärts.

Hinter uns lief noch eine Gruppe junger Franzosen mit Führer. Der „Normanne“ hob die Hand, dies bedeutete „Halt“. Er sprach einige Begrüßungsworte auf englisch und französisch. Dabei hatte er in jeder Hand ein Pflanzenbüschel, er sagte, das sei Absinth und meinte wohl, wer diese Tour mitmache, der werde süchtig nach Stromboli. Aus der Ferne hörten wir ein dumpfes Donnergrollen, der Vulkan begrüßte uns.

In gewohntem Tempo schritten wir den immer steiler werdenden Berg hinauf. Die Ausblicke auf die Insel und das Meer wurden immer schöner. Die Abendsonne tauchte alles in ein weiches, warmes Licht, die Farben wurden noch einmal angefeuert.

Nachdem die Vegetationszone verlassen war, faszinierten uns die vielfältigen, verschiedenen Vulkangesteine am Wegesrand. Der Bergführer achtete darauf, dass die Gruppe zusammenblieb. In den Aufstiegspausen gab er Erklärungen zum Vulkan ab. Die Stimmung war sehr gut, harmonisch und diszipliniert, die Gruppe fühlte sich als ein Ganzes.

Es fing an zu dämmern. Als wir langsam den steinigen Grat zum ersten Vorgipfel hochstiegen, sah man links über dem Horizont den Ätnagipfel über Wolken und Meer herübergrüßen. Immer öfter hörten wir das Donnern der Eruptionen. Nun hieß es „Helm auf“.

Kurz vor dem Erreichen des Vorgipfels konnten wir bereits schräg von oben die ersten Eruptionen erblicken, Rauch- und Steinfontänen stiegen in den Abendhimmel.

Als wir auf dem kleinen Plateau des Vorgipfels standen, gab uns der „Normanne“ zu verstehen, dass wir 20 Minuten warten müssten, bis die Gruppe vor uns den höher gelegenen Kraterrand verlassen hätte. Wir wurden entschädigt durch einen herrlichen Blick auf das tief unter uns liegende Meer und die untergehende Sonne über den Wolken. Wir befanden uns etwas darüber, denn man konnte wie aus dem Flugzeug auf die Wolkengebilde blicken.

Noch ganz gefangen vom Eindruck des Sonnenuntergangs auf dieser Höhe kam das Signal, es „gehe weiter zum Krater“. Nach wenigen Minuten standen wir schließlich an der Kante des Kraters und blickten in den schwarzen Abgrund. Tief unten glühten mehrere große Löcher, es fauchte und zischte. So haben die Menschen sich früher wohl die Hölle vorgestellt. Ein erster Gedanke ging mir durch den Kopf: Da unten heizen die Teufel das Höllenfeuer an.

Der „Normanne“ sagte, wir sollten uns an den Kraterrand setzen. Dicht gedrängt saßen nun jung und alt verschiedenster Nationalität in Harmonie am Abgrund. Der Stromboli bot sofort volles Programm, in kurzen Abständen schossen Feuerfontänen aus den Löchern, glühende Gesteinsbrocken wurden mit unsäglicher Wut in die Höhe geschleudert. Beim Zurückfallen bildeten sich feurige Muster um die Vulkanschlünde. In kurzen Abständen wiederholte sich das Schauspiel an verschiedenen Stellen im Krater. Wir hatten den Eindruck, als ob die Fontänen immer höher schossen. Ergriffenes Staunen über die Naturgewalt und -schöpfung bemächtigte sich unser. Alle spürten, dass die Erde lebt, ja ihre Schöpfung noch lange nicht zu Ende sei.

Nach einer guten halben Stunde am Kraterrand kam das Signal zum Aufbruch, inzwischen war es Nacht geworden. Taschen- und Stirnlampen an, noch ein Schluck aus der Wasserflasche und des Abenteuers zweiter Teil begann.

Der Abstieg verlief auf einer anderen Route. Nach 200 Metern erklärte unser Führer, wie wir uns über den Aschehang abwärts bewegen sollten, wie in einem steilen Schneehang.

Steil und gerade bewegte sich nun die Lichterkarawane nach unten. Wir liefen wie in weichem Schnee. Staub verhüllte den Blick auf die hinteren Lichter. Als der nahezu senkrechte Abstieg zu Ende war und wir quer zum Berg liefen, wurde Halt geboten. Es wurden Staubschutzmasken verteilt, da es nun erst so richtig losging. In einer einzigen großen Staubwolke gehüllt und mit Taschenlampen den Pfad erhellend bewegte sich unsere Lichterkette an der Bergflanke entlang in Richtung Dorf. Hohes Schilfgras bildete nun eine Art Hohlweg. Der Staubnebel wurde immer dichter, die Sterne verschwanden endgültig.

Endlich! Der Ortsrand mit der Kirche kam in Sicht.

Eine staubige Karawane glücklicher Gestalten lief über den Kirchplatz zum Büro der Bergführer. Die Helme wurden abgegeben, das Wohlbefinden mit herzlichen Danksagungen goutiert. Alle waren bester Laune. Es herrschte eine ausgeglichene Zufriedenheit. Die Wunder der Natur hatten alle tief ergriffen.

Unsere kleine Gruppe strebte nun mit kleinen Umwegen dem Hotel zu. Luigi hatte versprochen, wir bekämen noch warmes Essen, auch wenn es spät werden sollte. Verschwitzt und staubig genossen wir dann auch Pasta, Schwertfisch und Vino.

Ein wunderschöner, intensiv gelebter Tag ging zu Ende. Stromboli wird noch lange in unseren Köpfen spuken.


Karlheinz Lechler



Stromboli; Bild von Wolfgang Beyer (http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Wolfgangbeyer)