Sachsenreise vom 30.9. bis 3.10.2000
Es war ein nebeliger Morgen, als eine Gruppe Rothenburger
Reisefreunde auf
den von Ulm kommenden Egner - Bus wartete. Über
Ansbach ging die Fahrt weiter zur Autobahn.
Hinter Nürnberg ließ uns die Sonne eine
herrliche Herbstlandschaft erleben.
Ernst Burmann führte uns im Laufe der Fahrt in seiner
bewährten
Weise in das, was uns in den kommenden Tagen geboten
werden sollte,
ein. Auf die Landschaften, die Städte mit Ihren
Sehenswürdigkeiten und die überaus
reiche Kultur machte er uns neugierig. Gertraude Hilterhaus
aus Ansbach,
eine Musikpädagogin, machte uns mit dem großen
Meister Johann Sebastian Bach, seiner Musik
und seinem Schaffen bekannt. Sie setzte sich auch mit
dem Bachschen Familienleben
und dessen Einfluss auf seine Schaffensperioden in einfühlsamer
Weise auseinander.
Nach einem kurzen Zwischenstopp in Plauen, in Zwickau
und an der Göltschtalbrücke ging
es nach Chemnitz, wo für uns am Theaterplatz im
Hotel Europa reserviert war. Beim
abendlichen Konzert im neuerbauten Straßenbahndepot
mit der Robert Schumann Philharmonie Chemnitz,
dirigierte Oleg Caetani, Werke von Johann Strauß,
Arthur Honegger und Alexander Mossolow.
Das Werk DIE PLANETEN op. 32 von
Gustav Holst war im zweiten Teil des Konzerts zu hören.
Holst charakterisierte seine Planeten als eine Folge
von
Stimmungsbildern, zum Beispiel „Venus als Bringerin des
Friedens“
Zu einem Tagesausflug nach Leipzig starteten wir am Sonntag,
1. Oktober.
Erntedankfestgottesdienst in der Thomaskirche mit der
Mädchenkantorei und den
Domsingknaben aus Fulda. Die schräg stehende Sonne
beleuchtete die bunten
Kirchenfenster mit Bildern von Martin Luther, Melanchthon
und J.S. Bach. Seit 1950
ruhen Bachs Gebeine im Altarraum der Thomaskirche. Mit
Achim Apitz hatten
wir einen Stadtführer, der mit Engagement und enormen
Wissen uns seine
Vaterstadt vorstellte. Die Nikolaikirche wurde zur Wiege
der gewaltfreien
Revolution von 1989. Als symbolträchtig erwies sich
das Schild an der Pforte:
Nicolaikirche - offen für alle . Die Kirche, in
der seit Oktober 1981 die
>Montäglichen Friedensgebete< stattfanden, war
ein Haus der Hoffnung, ein
Treffpunkt für oppositionelle Basisgruppen. Von
hier erfolgte 1989 der Aufruf
zur Gewaltlosigkeit. Achim Apitz war selbst dabei und
er schilderte die
Geschehnisse in eindrucksvoller und leidenschaftlicher
Weise.
KISS ME KATE, das Musical von Cole Porter wurde bei unserem
abendlichen Besuch im
Opernhaus in Chemnitz aufgeführt. Eine heitere,
recht amüsante Geschichte mit
guten Darstellern und Inszenierung.
Dresden, die sächsische Metropole, war unser Ziel
am 2. Oktober. Es hieße Eulen nach Athen
tragen, wollte man versuchen darüber zu schreiben,
nein nur die wichtigsten
Stationen sollen erwähnt werden. Der Wiederaufbau
der Frauenkirche beeindruckte
sehr, auch was den Fortschritt anbelangt. Ebenso die
im Zwinger und im
Semperbau befindlichen Museen, das Grüne
Gewölbe, die „Schatzkammer
Sachsens“ sowie die Gemäldegalerie Neue Meister
mit vielen Bildern von C. D. Friedrich und
die Gemäldegalerie „Alte Meister“ mit der Sixtinischen
Madonna von Raffael.
Die Semperoper war nach einem Essen im „Italienischen
Dörfchen“ der Höhepunkt des Tages.
Vor 65 Jahren dirigierte hier Karl Böhm die Uraufführung
der Richard Strauss Oper „Die schweigsame Frau“
die auch heute ( 2.10.2000) auf dem Spielplan steht und
in den
Genuss wir kamen. Das Thema ist alt: Ein betagter,
gehörgeschädigter Seemann sucht eine liebevolle,
aber schweigsame Frau. Donizetti hat es für Don
Pasquale
zurechtgemacht. In der späteren Opernliteratur ist
der Stoff des Don
Pasquale von Marc Lothars Lord Spleen und in der Schweigsamen
Frau von Richard
Strauss wieder aufgegriffen, wenn auch verschiedenartig
abgewandelt, worden.
Gertraude Hilterhaus hatte uns bei der Anfahrt mit dem
Inhalt und Musik
vertraut gemacht, so dass die Aufführung zu einem
echten Genuss werden
konnte. Allein das Ambiente des Hauses ist schon einen
Besuch wert.
Es steht einem Teatro alla Scala di Milano nicht viel
nach.
Auf dem Weg zum Elbsandsteingebirge besuchten wir,
wie schon am Vortag unterhaltsam
geführt von Horst Ulischberger, am 3. Oktober
die Festung
Königstein. Sie ist zum Symbol der Sächsischen
Schweiz geworden:
eine auf einer Sandsteintafel 240 m über der Elbe
gelegene, 9,5 ha große
Wehranlage. Die Festungsmauern sind 36 bis 42 m hoch,
die Brustwehr 2,2 km
lang. Uneinnehmbar und trutzig zeigt sie sich. Aus Übermut
erkletterte der 18
jährige Schornsteinfeger Sebastian Abratzky am 19.3.1848
ohne Hilfsmittel in
drei Stunden unbemerkt die Festungsmauer. Man ließ
ihn nach kurzer Haft
laufen, aber schweigen solle er. In der kleinen, erst
kürzlich renovierten
Garnisonskirche lud Pfarrer Burmann zu besinnlichenmVerweilen
mit
Dank für die Wiedervereinigung ein.
Dann das Elbsandsteingebirge, in
Lichtbildervorträgen von Martin Schwiersch
und Bernd Arnold bei uns in
Rothenburg schon vorgestellt, aber man muss auf der Bastei
stehen, um sich einen
Überblick von der grandiosen Landschaft zu verschaffen.
Der Nebel in den
Niederungen, nur die oberen Teile der Felsformationen
treten daraus hervor, genau wie
es Caspar David Friedrich in einem seiner Bilder zum
Ausdruck bringt. Der Anfahrtsweg
durch die herbstliche Landschaft bringt einem Carl Maria
von
Webers „Durch die Wälder, durch die Auen“; unwillkürlich
in den
Sinn. Hat er sich nicht hier seine Inspiration zu der
romantischen Oper
„Der Freischütz“ mit der grandiosen Szene in der
Wolfsschlucht
geholt? - Es muss schon so gewesen sein -.
Wenn dann die Sonne Oberhand gewinnt, Farbe in die Landschaft
bringt, die
Felsbastionen grau-braun leuchten und unter uns die Elbe
sichtbar
wird, wo Schiffe geräuschlos dahinziehen, denke
ich an die Worte von Bernd
Arnold bei seinem Lichtbildervortrag in Rothenburg: “Wer
zur Quelle
will muss gegen den Strom schwimmen“. Bernd,
Du hast eine
wunderschöne Heimat und so unsagbar reich an Kultur!
Helmut Riedel